Kunst in der Passage 13

Do., 25th Febr. 2021
Passage 13 Ausstellung

In den Abendstunden (19-23 Uhr ) vom 01.-14.03.2021, treten die KünstlerInnen Susanne und Nina Langbehn, Johannes Rudloff, Eileen Farida Almarales Noy und Julius Anger durch unterschiedliche Ansätze mit der Außenwelt in Kontakt.

Die Ausstellung ist kostenfrei und findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „SILBERSALZ trifft“ statt. Mit „SILBERSALZ trifft“ etablieren wir eine monatliche Veranstaltungsplattform, in der die jeweiligen Festivaljahresthemen auf erfrischend andere Art verhandel- und erlebbar werden. Neben punktuellen Kooperationen mit anderen Institutionen in Halle und extra eingeladenen Gästen, wollen wir hierfür vor allem die Räume der Passage 13 und den Außenraum des Stadtteils Halle Neustadt nutzen.

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Die ausgestellten Werke:

Julius Anger – KMPLXSHOW

„Fragmenthafte Fetzen einer Sprache der Nichtigkeit.“ ­ So lautet der erste Ausspruch des Protagonisten im Video KMPLXSHOW. Ein bewusst, mehr schlecht als recht ins Bild montierter News-Anchorman kommentiert darin die Lage der Welt mit Hilfe von poetischen Alliterationen. Der Hintergrund, mit dem die Figur ständig zu verschwimmen scheint, ist eine überwältigende Collage aus schnell aneinander montierten Bildern und Sequenzen. Zu sehen sind Szenen einer dicht gedrängten, immer in Bewegung befindlichen Welt, die der Mensch scheinbar nach Belieben prägt. Die dadaistisch anmutenden Verse entlarven das Leben in dieser Welt auf Vorspultaste als das, was es letztlich ist: Eine dem Untergang geweihte Dystopie, die mit dem „Mantra gewaltsamer Exzesse“ alles zu verschlingen scheint, was ihr in die Quere kommt.

Der Bildhauer und Maler Julius Anger bleibt auch in dieser Arbeit seinen zentralen Arbeitsprinzipien treu. „Die Werke sind urban anmutende Assemblagen, die aus einem intuitiven Arbeitsprozess heraus entstanden. Allzu konkret oder gewollt sollte die Idee bei der künstlerischen Umsetzung nicht sein, so Anger selbst zu seiner Arbeitsweise, denn nichts bremse ihn mehr aus als der Zwang, ein vorgegebenes Ziel zu erreichen.“ (Karolina Drigoda, 2018)

Julius Anger, Jahrgang 1992, 2014-2020 Studium an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Studiengang Bildhauerei/Figur bei Prof. Bruno Raetsch. Oktober 2020 Diplom. Er lebt und arbeitet in Halle (Saale).

Nina Langbehn  - Owner of this house lives here

Das Video zeigt Aufnahmen eines Sich-Bewegens durch die Geisterstadt Prypjat. Priypjat wurde im Kontext des Baus des Kernkraftwerks Tschnernobyl als Wohnort für Arbeiter*innen gegründet und war einst Modellstadt. Heute ist sie ein nahezu unberührbares Mahnmal - und als solches vor den laufenden Dekommunisierungs-Prozesse in der Ukraine geschützt.

Die Bilder der Stadt wurden auf Super8-Film belichtet, wovon die letzten beiden Rollen bereits seit 1981 abgelaufen waren und eigenhändig entwickelt werden musste.

Der Film entstand im Rahmen des Forschungs- und Ausstellungsprojektes DECOMMUNI_ATION, welches 2018-19 in Kooperation mit der Nationalen Akademie für Kunst und Architektur in Kyiw, dem Schoschenko 33 in Kiew und der Kunsthalle am Hamburger Platz (KHB Weißensee) umgesetzt wurde.

Kiew, dem Schoschenko 33 in Kiew und der Kunsthochschule Weißensee, Berlin umgesetzt wurde. Die Resultate wurden erstmals 2019 in der Kunsthalle am Hamburger Platz in Berlin Weißensee ausgestellt.

Das Bildmaterial wurde auf Super8-Film belichtet, wovon die letzten beiden Rollen bereits seit 1981 abgelaufen waren und eigenhändig entwickelt werden mussten.

Nina Langbehn, Jahrgang 1991, hat 2019 ihr Diplom an der Kunsthochschule Weißensee absolviert. Sie ist Meisterschülerin bei Pia Linz. Neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen vor allem in Berlin, hat Sie in den letzten Jahren mehrere Arbeitsstipendien und Auslandsaufenthalte unter anderem in Mexiko-Stadt, Kiew, Kasterlee in Belgien und Hannover absolviert. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Susanne Langbehn – Calcium

Was fangen wir mit menschlichen Hinterlassenschaften an? Susanne Langbehn hat sich nach dem Tod ihres Großvaters intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Er hinterließ, neben einem Garten voller Bäume aus Setzlingen seiner alten Heimat, unerwarteter Weise 10 000 Glasampullen gefüllt mit jeweils 10 ml Calciumlösung. Sie nahm sich dieser an, reinigte sie und brachte Sie zum Meer. Dort zerbrach sie ihre Hüllen und gab den Inhalt frei. Nur warum tat sie das?

Die Ozeane sind der größte CO2 Speicher der Erde. Mehr als die Hälfte des vom Menschen verursachten CO2 nehmen die Meere jährlich auf. Doch durch den ansteigenden CO2-Gehalt übersäuert das Wasser, wodurch sein pH-Wert sinkt. Dies beeinträchtigt vor allem die wirbellosen Arten mit Kalkpanzer, wie etwa Muscheln, Korallen oder Seeigel. Sie werden an der lebenswichtigen Kalkerzeugung zur Herausbildung ihrer Schalen gehindert.

Kann Großvaters Calcium unser anthropogenes CO2 binden? Kann es den Meeresbewohnern eine neue Hülle geben? Was kann dieser Berg an Ampullen bewirken?                                                         Ist er mehr als ein Berg aus Tropfen und Tränen?
Die Künstlerin beantwortet dies wie folgt: „Wir sind nicht nur dafür verantwortlich was wir tun, sondern auch dafür, was wir nicht tun. Ich werde nie wissen, was meine Taten letztendlich bewirken. Was bleibt ist der Wille, das Versuchen und immer wieder die Frage: Was wollen wir hinterlassen, wenn wir gehen?“

Susanne Langbehn - Gefunden für alle

2016

Fotogramme auf Barytpapier

Der unstillbare Wissensdurst und das Bedürfnis mit Erkenntnissen und Entdeckungen das Zusammenleben der Menschen untereinander und mit der Umwelt verständlicher, einfacher und erträglicher zu machen, sind die Treibstoffe, die Wissenschaft und Forschende antreiben. Zumindest ist dies die Idealvorstellung der Künstlerin Susanne Langbehn.

„Gefunden für alle“ ist eine Archivdokumentation der gefundenen und vererbten Glasampullen, die in der Videoarbeit „Calcium“ zu sehen sind. Im Video wird das, in den Ampullen befindliche Calcium durch das Entleeren in das Meer an die Allgemeinheit rückübertragen. Die Ampullen sind im Fotogrammverfahren dargestellt. Es handelt sich hier um eine Fototechnik, bei der Objekte auf lichtempfindlichem Barytfotopapier abgelichtet werden und so eine 1 zu 1 Abbildung erfahren.

Die Künstlerin impliziert mit „Calcium“ und „Gefunden für alle“, dass Wissenschaft und die Ergebnisse ihrer Forschungen allen zugänglich sein sollten. Unrechtmäßige Besitzansprüche und Patentgeheimnisse sollten in einer globalvernetzten Welt nicht die Versorgung von wichtigen Allgemeingütern wie Medikamenten bestimmen oder erschweren. Auch die kleinsten Elemente, wie Ca+ Ionen, haben wir uns letztlich nur von der Natur geborgt.

Susanne Langbehn, Jahrgang 1990, studiert seit 2014 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle im Studiengang Bild/Raum/Objekt/Glas bei Frau Prof. Christine Triebsch. Neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen unter anderen in Halle, Leipzig und Havanna, Kuba absolvierte sie ebendort ein Auslandsstudium mit Erasmus Förderung am Instituto Superior de Arte, Havanna. Sie lebt und arbeitet in Halle

Eileen Almarales Noy mit Disbel Roque Bolano - Simulacro de cooperativización Forzada (Die erzwungenen Genossenschaften), 2018

Die Video-Performance Simulacro de cooperativización Forzada ist eine still aufgenommene Szene mit fest montierter Kamera. In ihr begeben sich Eileen Almarales Noy mit Disbel Roque Bolano buchstäblich unter ein traditionelles kubanisches Joch. Sie tragen es gemeinsam, versuchen aber mit voller körperlicher Kraft dem Gegenüber davon zu streben.

Die Performance stellt alte Vorstellungen von sozialer Kooperation in Frage. Außerdem versinnbildlicht sie die Mechanismen der physischen Unterwerfung unter eine größere Idee. Das Joch, dass die tierische Zwangsarbeit symbolisiert, macht die beiden ProtagonistInnen unter Schwinden ihrer letzten Widerstandskräfte metaphorisch zu sanftmütig gebrochenen Nutztieren.

Dieses Schauspiel besitzt eine traurige Ironie. Zeigt es doch mit einfachsten Mitteln, dass sich der Widerstand gegen die Unterwerfung oftmals gegen die gleichsam Mitunterdrückten und nicht gegen die Mechanismen der Unterwerfung oder die Unterdrückenden selbst richtet.

Die kubanische Landwirtschaft steckt seit Langem in der Krise. Mehrere Agrarreformen seit den 1980er Jahren konnten nicht verhindern, dass heutzutage „rund siebzig Prozent der auf der Insel konsumierten Kalorien importiert werden müssen - einige Quellen sprechen gar von 85 Prozent.“ Weder das umweltzerstörerische, agroindustrielle Modell sowjetischer Prägung noch die Umstellung des Agrarsektors auf Ressourcen schonenden Landbau, in dem bis heute ca. 20 % der kubanischen Bevölkerung arbeiten, konnten daran bis jetzt etwas ändern. (Quelle: „Zwischen Marabú und Missernte - Kubas Landwirtschaft steckt seit Langem in der Krise“ in nd, 02.08.2018)

Eileen Almarales Noy, Jahrgang 1995 hat von 2010 bis 2019 an den Kunsthochschulen Vicentina de la Torre in Camagüey und der ISA in Havanna, Kuba studiert. Ihre Arbeiten wurde in den USA, Mexiko, Deutschland und auf Events wie der Biennale von Havanna, dem New Media Festival Miami und im 7. Salon der zeitgenössischen kubanischen Kunst gezeigt.

Johannes Rudloff – trip on a train, 2018

Die Video-Collage trip on a train nimmt die BetrachterInnen mit auf eine kleine Reise, die zu einem assoziativen „Erkenntnisprozess“ gerät.

Anhand von O-Ton Zitaten deutschsprachiger Geistesgrößen aus den Disziplinen Physik, Psychologie, Literatur und Philosophie werden die Phänomene „Zeit“, „Sein“ und „Sinn“ auf ihr transformatives Potential hin untersucht. Die verwendeten Zitate geben dabei auch Auskunft über die jeweiligen Selbstverständnisse der DenkerInnen und die daraus resultierenden Fachperspektiven.

Mit dem Video lassen sich Grundfragen stellen, wie: Welche Bedürfnisse und Antriebe haben wir Menschen und wie können uns die Wissenschaften dabei dienlich sein? Was bedeutet der wissenschaftliche Fortschritt für uns und wohin soll uns dieser letztlich führen? Und natürlich, die Gretchenfrage: In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich wie leben?

Der Film soll darauf keine eindeutigen Antworten geben. Vielmehr erzeugt er durch die unkommentierte Konfrontation mit verschiedenen Betrachtungsweisen einen reflexiven Resonanzraum. Die BetrachterInnen sollen dazu angeregt werden, sich zu dem Gehörten und Gesehenen ins Verhältnis zu setzen.

In der Collage sind O-Töne zu hören von:

Hannah Arendt, Vera F. Birkenbihl, Ernst Bloch, Papst Benedikt XVI., Rudi Dutschke, Paul K. Feyerabend, Heiner Flassbeck, Viktor Frankl, Erich Fromm, die Brüder Grün, Gerald Hüther, Harald Lesch, Julian Nida - Rümelin, Richard David Precht, Peter Sloterdijk, Jürgen Todenhöfer, Tatjana Schnell, Erwin Schrödinger.

Johannes Rudloff, Jahrgang 1988 studiert seit 2015 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle im Studiengang Bild/Raum/Objekt/Glas bei Frau Prof. Christine Triebsch.

Nach Studienaufenthalten in Edinburgh (Schottland), Laas (Italien) und Leeds (England) kann er auf zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen unter anderen in Berlin, Dresden, Leipzig, Halle