Zum Neuen Europäischen Bauhaus: Wie die Bauwende 2045 gelingen kann

Talks Strukturwandel
-
Lehmhaus © GOLEHM 2023, N. Henkel

Expertentalk als CarbonCycleCulture-Club 

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit Forum Rathenau e. V., statt.

Zum Thema „Neues Europäisches Bauhaus (NEB) – Wie gelingt die Bauwende 2030/2045 in Mitteldeutschland? – richten Fachexpert:innen auf Einladung des Forum Rathenau e.V. beim CarbonCycleCultureClubs (C4) am Sonntag, den 3. November 2024 den Blick auf nachhaltiges BauenDiskutiert wird beim C4, der in Kooperation mit dem Silbersalz-Festival in Halle stattfindet, von 11 bis 12.30 Uhr in der ehemaligen Galeria Kaufhof auf dem Marktplatz. Die Veranstaltung kann zudem digital über einen YouTube-Livestream verfolgt werden. Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland die ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen um mindestens 65 Prozent reduziert werden, bis 2045 wird Netto-Treibhausgasneutralität angestrebt. Das Bauwesen war nach einem Bericht des UN environment programme 2019 für 38 Prozent der anthropogenen Emissionen verantwortlich. Für Deutschland erhob das Forschungsunternehmen Prognos AG in einer Studie im Jahr 2021 Zahlen. Demnach verursachen Bau und Betrieb von Gebäuden etwa 41 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen. (Stand: Juli 2021) Wie gelingt ein systemischer Wandel in diesem Bereich, der so einen enormen Anteil am Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen hat? Das wird eine der Fragen sein, die beim C4 diskutiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden unterschiedliche Ansätze verfolgt.

Als Podiumsgäste zugesagt haben:

Führt Lowtech, also Materialrecycling und die Nutzung von Naturstoffen zur erfolgreichen Reduktion von klimaschädlichen Emissionen, oder brauchen wir besonders viel Hightech im Baugewerbe, um die Klimaziele zu erreichen?

Professor Eike Roswag-Klinge, Natural Building Lab, TU Berlin sagte in einem Interview dieses Jahr, dass 92 Prozent aller mineralischen Ressourcen, die wir dem Boden entnehmen, in den Bausektor wandern. Und dann werden sie irgendwann zu Schutt und Müll. Er plädiert deshalb dafür, mit nachwachsenden Rohstoffen, aber auch mit recycelten Rohstoffen zu bauen und spricht sich für die Umnutzung bestehender Gebäude aus. Er meint, dass keinesfalls “frischer Boden” bebaut werden sollte.

Für die KreislaufBAUWirtschaft und Reduktion der stofflichen Ressourcen werden neben technischer Innovation auch auf prozessualer Ebene Anpassungen benötigt. Denn derzeit brauchen Neuerungen von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife viele Jahre. Das kam auch schon beim C4 zum Thema “Zucker als Baustoff” zur Sprache. Zum Erreichen der Klimaziele sind methodische Ansätze gefragt, um Innovationsschübe in allen Bereichen – von der Material- und Konstruktionsentwicklung bis zur kreislaufgerechten Konzeption und Anpassungsfähigkeit von ganzen Gebäuden – zu ermöglichen.
Beim Forschungsprojekt “Urban Timber” des Natural Building Lab, beschäftigt sich Roswag-Klinge unter anderem mit Holz als zentralem Baustoff für klimaneutrales Bauen der Zukunft. Stahl sowie Dämmstoffe könnten in großem Maße auch durch Holz und anderen Naturfasern ersetzt werden.

Auch beim NEB – die drei Buchstaben stehen für das „Neue Europäische Bauhaus“,  werden recyclinggerechte, nachhaltige Baustoffe, emissionsreduzierte „Lowtech“-Herangehensweisen und modellhafte identitätsstiftende, gemeinwohlorientierte Projektvorhaben gefördert. Die EU-Initiative flankiert Europas Weg – den GREEN DEAL – in die Klimaneutralität und ruft zum gemeinsamen Handeln auf. Sachsen-Anhalt ist dabei und sucht EU-gefördert konkrete Ideen, Vorhaben und Visionen für das Mitteldeutsche Revier im Wandel.

Bereits im Januar 2022 veranstaltete der Forum Rathenau einen CarbonCycleCultureClub (C4) zum Thema „Neues Europäisches Bauhaus – Das Sachsen-Anhalt Projekt“ in seiner üblichen eindrücklichen Lokation, dem früheren Kraftwerk Zschornewitz in Gräfenhainichen. Nun, über zwei Jahre später, wird der rote Faden wieder aufgenommen. Dazwischen ist einiges passiert. Deshalb geht es in der Diskussion um: „Wie ist der aktuelle Stand des „Neues Europäisches Bauhaus-Das Sachsen-Anhalt Projekt“? Dies beantwortet  Frau Dr. Barbara Steiner, Direktorin und Vorstand Stiftung Bauhaus Dessau, beim C4, die bereits vor zwei Jahren zu Gast in hybriden Talkformat des Forum Rathenau war und damals wie heute in den aktuellen Stand einführen und berichten wird, welche Entwicklungen es gab und was für die Zukunft in Sachsen-Anhalt im Rahmen des Projekts geplant ist.

Auf dem früheren ZEKIWA-Gelände in Zeitz ist im Rahmen des NEB unter anderem geplant, bei der denkmalgerechten Sanierung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes im Reallabor verschiedene innovative Strategien auszuprobieren. So können beispielsweise bei der Notsicherung des Daches Maßnahmen zur Energiegewinnung erprobt werden, beim Verfüllen des Kellers aus Hochwasserschutzmitteln kann eine Wärmespeicherung ausprobiert werden und bei der Sanierung der Fassadenelemente kann mit neuen Materialien gearbeitet werden. Auch hier wird eine Frage sein, wieviel Technik dabei sinnvoll und effizient ist, es wird die Möglichkeit bestehen, neueste Technologien zu erproben, die derzeit noch nicht auf dem Markt sind.

Auf neueste Technologien ist auch Dipl.-Math. Stefanie Samtleben spezialisiert. Sie bearbeitet am Fraunhofer IFF Forschungsprojekte mit den Schwerpunkten Energieeffizienz und IT-Entwicklung, seit dem Jahr 2015 überwiegend aus dem Umfeld der Bauwirtschaft. Sie ist eine Expertin für nachhaltige Fabriken der Zukunft.

Der Abriss-Atlas Deutschland (https://abriss-atlas.de) wird initiiert von einem Bündnis verschiedener Initiativen und ist ein Projekt, das Ben Buschfeld, der auch bei Architects 4 Future aktiv ist, unterstützt. Ziel des Atlasses ist es, das Ausmaß der Gebäudeabrisse in Deutschland nach dem Vorbild des Schweizer Abriss-Atlas‘ zu visualisieren und zu kartografieren.
Abbrüche tragen maßgeblich zu vermeidbaren CO₂-Emissionen bei und sind verantwortlich für über 50 Prozent des in Deutschland anfallenden Abfalls. Zudem zerstören sie historische Baukultur und oft auch soziale Strukturen und Bindungen, so die Initiatoren des Abriss-Atlas Deutschland.

Auf Lehmbau und nachhaltige Kreislaufwirtschaft setzt auch das WIR!-Bündnis GOLEHM. GOLEHM wurde 2020 durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Berliner Ingenieurbüro ZRSI ins Leben gerufen, um das Lehmbauerbe in Mitteldeutschland zu erfassen, zu erforschen, zu erhalten und auf Basis dieser Tradition mit neuen Baustoffen in die Zukunft zu starten. Die Archäologin und Bündniskoordinatorin GOLEHM Dr. Franziska Knoll wird beim C4 die Möglichkeiten des Baumaterials Lehm für das Bauen der Zukunft beleuchten. Zudem wird sie Fotos der Lehmexkursionen am Samstag präsentieren.

Dr. Barbara Steiner © Stiftung Bauhaus Dessau, Thomas Meyer

Dr. Barbara Steiner

Direktorin Stiftung Bau-haus Dessau
Stefanie Samtleben

Stefanie Samtleben

Group Manager Integral Factory Planning Fraunhofer Institute for Factory Operation and Automation IFF
Dr. Franziska Knoll

Dr. Franziska Knoll

Archäologin und Bündniskoordinatorin GOLEHM
Ben Buschfeld

Ben Buschfeld

Designer, Web-Entwickler, KulturerbeNetz.Berlin
 Claudia Reiser © MDR, Anorte Linsmayer

Claudia Reiser

MDR AKTUELL-Autorin